Sudermann im Spiegel seiner Zeitgenossen

Eduard von Winterstein, Schauspieler, der in vielen Rollen Sudermanns auftrat und nicht zuletzt in der Verfilmung von „Katzensteg“ 1937/38 mitwirkte, schreibt in seinen Lebenserinnerungen:
„Aber, und das muß ich ganz besonders unterstreichen, die Literaturhistoriker mögen Sudermann einschätzen wie sie wollen, ich habe immer die Meinung vertreten, daß das Theater und vor allem die Schauspieler dem Dramatiker Sudermann ewig dankbar sein müssen für die Fülle wunderbarer Rollen, die er für sie geschaffen hat.“
(in: Eduard von Winterstein: Mein Leben und meine Zeit. Ein halbes Jahrhundert deutscher Theatergeschichte, Berlin 1963, S. 107f.)

 

Zu Sudermann als Regisseur berichtet er:
„Inzwischen war die Zeit gekommen, in der ich mich noch einmal für Neumann-Hofer zur Verfügung stellen mußte. Ich kehrte also notgedrungen in das mir verhaßte Lessingtheater zurück und spielte zunächst in ‚Sturmgeselle Sokrates‘, einem neuen Stück von Hermann Sudermann. Bei den Proben zu diesem Stück erlebten wir eine heitere Episode, die ich nicht unerwähnt lassen möchte. Hermann Sudermann war seit der Aufführung seiner ‚Ehre‘ mit dem Hauptdarsteller dieses Stückes, Adolf Klein, der auch den Hauptanteil an dem Erfolg hatte, aufs bitterste verfeindet. Ich weiß nicht mehr, aus welchem Grunde. Eins steht fest, die beiden haßten einander. Während der Proben zum ‚Sturmgesellen Sokrates‘ nun war Hermann Sudermann stets anwesend und griff oft in die Probenarbeiten ein. Dabei kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Feinden, bis Adolf Klein behauptete, er sei nicht verpflichtet, sich vom Autor Vorschriften machen zu lassen, dieses Recht habe einzig und allein der für das Stück bestimmte Regisseur. Am nächsten Morgen versammelte Otto Neumann-Hofer, der übrigens ein intimer Freund seines Landsmannes Hermann Sudermann war, das Personal auf der Bühne und erklärte: ‚Meine Herrschaften, ich habe soeben Herrn Hermann Sudermann als Regisseur engagiert, er übernimmt von heute an selbständig die Inszenierung seines Stückes.‘ Adolf Klein war geschlagen und mußte sich zähneknirschend fügen. Schließlich einigte man sich auf der mittleren Linie, und es ging ohne weitere Reibereien ab. Und nachher konnte man sagen: ‚Tant de bruit pour une omelette‘, denn das Stück fiel durch und wurde nur ein paar Mal gegeben.
(in: Eduard von Winterstein: Mein Leben und meine Zeit. Ein halbes Jahrhundert deutscher Theatergeschichte, Berlin 1963, S. 311f.)